Niemand wünscht sie herbei, doch schlimme Zeiten wie die Coronapandemie können den Wandel extrem beschleunigen. Beim Top-Innovator Zender Germany etwa herrschte vor der Pandemie ein recht großes hierarchisches Gefälle. Wo früher ein Einzelner das Sagen hatte, entscheiden heute nun Teams, die zudem untereinander im Austausch stehen, wie es im Unternehmensporträt von Zender im neuen TOP 100-Buch heißt. Zender ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, wie rasch und entschieden die aktuellen TOP 100-Unternehmen auf die Herausforderungen der Pandemie reagiert haben – und dabei eben auch Elemente von „New Work“ implementierten.
Einsame Entscheidungen haben ausgedient
„New Work“ statt „Old Work“, Eigenverantwortung statt Hierarchie: Die Arbeitswelt ändert sich gerade rasant. Wie innovative Mittelständler mit diesem grundlegenden Wandel umgehen, davon erzählt die neueste Auflage des TOP 100-Buchs, das Standardwerk der deutschen Innovationsliteratur.
Fränzi Kühne ist Mitgründerin und ehemalige Geschäftsführerin der Digitalagentur TLGG sowie Aufsichtsrätin verschiedener Unternehmen und Speakerin. Seit mehr als zwölf Jahren berät sie Führungskräfte, Geschäftsführer und Gründer aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik. „‘New Work‘ verbinde ich mit einer modernen Art zu arbeiten und mit dem Schaffen individueller Möglichkeiten für jeden Einzelnen. Im Gegensatz dazu ist ‚Old Work‘ das Arbeiten in einem sehr starren, meist hierarchiegeprägten System, in dem wenig Platz für Flexibilität und Individualität ist“, schreibt sie in einem Fachbeitrag für das TOP 100-Buch. Sie macht deutlich, dass der Trend zu „New Work“ vor allem von der Mitarbeiterseite komme. Diese würden gängige Arbeitsformen und Karrierewege nicht mehr akzeptieren. „Wenn Unternehmen es nicht schaffen, eine Lösung zu finden, die diesen neuen Anforderungen gerecht wird, bekommen sie früher oder später ein Recruitingproblem“, sagt sie voraus.
Totgesagte leben länger
Das Silicon Valley gilt als das Innovationszentrum schlechthin. In seinem Fachbeitrag geht Innovationsexperte Dr. Mario Herger der Frage nach, warum der Standort in letzter Zeit in Kritik geraten ist und gar schon vom „Tod des Silicon Valley“ die Rede war. Wie er allerdings darlegt, gab es schon einmal eine Phase, in der namhafte Unternehmen sich aus dem Valley zurückzogen. „Doch nach jeder Krise kam das Silicon Valley stärker zurück als je zuvor“, schreibt Herger.
Nach wie vor sei das Valley ein Ort, an dem sich Technologien, Geschäftsmodelle, Entwicklungsprozesse und Forschung gegenseitig befruchten würden. Kleinere und mittlere Unternehmen könnten daraus die Lehre ziehen: Wolle man bei Innovationen ganz vorne mitmischen, könne die „Location“, also der Ort, an dem ein Unternehmen angesiedelt ist, wichtiger sein als andere Faktoren. „Das Silicon Valley hat sich immer wieder neu erfunden und sprang damit dem Tod wiederholt von der Schippe. Kleine und mittelständische Firmen, die ihre Erfolgsgeschichte von zukünftigen Generationen weitergeführt sehen wollen, finden im Silicon Valley die idealen Lehrmeister“, bilanziert Mario Herger.
Technisches Wissen und großartige Ingenieure
Ebenfalls den Mittelstand hat TOP 100-Juror Frank Thelen im Blick, wenn er in seinem Fachbeitrag warnt, dass man nicht nur den USA und China die großen Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz (KI), Roboter, Blockchain, Quantencomputer oder 3-D-Druck überlassen solle. „Deshalb sollte auch unser Mittelstand jetzt mutig auf Innovation setzen. Die zwei bis drei Prozent an Verbesserungen, mit denen unsere Unternehmen bislang gut gefahren sind, werden künftig nicht mehr ausreichen“, schreibt Thelen. „Wir brauchen eine ‚10xDNA‘: Wir müssen uns wieder trauen, groß zu denken und große Visionen in die Tat umzusetzen. Wenn uns das gelingt, sehe ich eine wirtschaftlich starke, nachhaltigere und bessere Zukunft auf uns zukommen. Das nötige technische Wissen, herausragende Universitäten, großartige Ingenieure und die Erfahrung, die man braucht, um Innovationsvorreiter zu werden, haben wir bereits.“
Der Technologiejournalist Dr. Thomas Ramge ergründet in seinem Fachbeitrag das „Innovations-Paradox“: Demnach hat Technik Probleme geschaffen, die es vorher nicht gab. Die Frage sei nun, ob bessere Technik diese Probleme wieder lösen könne. Als Beispiele für Innovationen, die im Nachgang Probleme für die Allgemeinheit bereiten, nennt er den Verbrennungsmotor, die Kohleverstromung oder auch die Massentierhaltung. Um das wiederum zu beheben, reichten kleinere und mittlere Verbesserungen nicht aus. „Wir brauchen sehr rasch radikal bessere Technik, um die Probleme zu lösen, die uns die Innovationen der Vergangenheit eingebrockt haben“, formuliert es Thomas Ramge.
Herausgegeben wird das TOP 100-Buch „Innovationselite“ von Wissenschaftsjournalist und TOP 100-Mentor Ranga Yogeshwar. Trotz all der Herausforderungen, mit denen sich die Gesellschaft aktuell konfrontiert sieht, ist er zuversichtlich – nicht zuletzt aufgrund der innovativen Mittelständler, wie er in seinem Vorwort schreibt: „Viele Gespräche mit diesen Zukunftsgestaltern haben mir gezeigt, dass wir allen Grund haben, optimistisch zu sein und uns auf die Zukunft zu freuen.“
Ranga Yogeshwar (Hrsg.): TOP 100 2022: Innovationselite. Hardcover, 560 Seiten, Redline Verlag. ISBN 978-3-86881-908-3. Preis: 30 Euro. Das TOP 100-Buch ist im Buchhandel erhältlich.