© alphaspirit / Adobe Stock
Allgemein

Mit dem Medici-Effekt die Innovationskultur stärken

21. April 2023
3 Min.
Von unserem Gastautor Frank Thelen

Lieber selbst das Unternehmen disruptieren, bevor der Wettbewerb es tut: Wer langfristig relevant bleiben will, muss eine Innovationskultur in der Firma etablieren. Das bedeutet auch, seine eigenen Produkte und Prozesse radikal zu hinterfragen. Unternehmer können sich dabei den Medici-Effekt zunutze machen.

Von Disruption ist die Rede, wenn ein bestehendes Produkt durch eine radikale Neuerung ersetzt wird: Verbrenner-Motoren versus elektrische Antriebe, Kabelnetze versus WiFi oder Blackberry versus iPhone. Auch wenn der Begriff oftmals negativ behaftet ist – schöpferische Zerstörung klingt zugegebenermaßen bedrohlich –, beschreibt Disruption im Grunde nur den technologischen Fortschritt. Und dass wir diesen in unserer aktuellen Situation dringender denn je brauchen, um zu einem nachhaltigen Lebensstil zu finden, ist meine tiefe Überzeugung. Kritiker werden entgegnen, dass der technologische Fortschritt uns erst in diese Situation gebracht hat. Doch niemand weiß, wo die Menschheit heute ohne die technologischen Durchbrüche der letzten Jahrhunderte stehen würde. Es lässt sich heute nicht absehen, wie unsere Welt in 100 Jahren aussehen wird. Fest steht nur eines: Innovation und Disruption sind eng miteinander verbunden und unaufhaltbar.

Unsere Welt und unsere Wirtschaft werden sich immer weiter verändern und weiterentwickeln. Die neuesten und fortschrittlichsten Innovationen werden früher oder später darüber entscheiden, welche Unternehmen sich am Markt durchsetzen können. Folglich sollte Innovation im Kern eines jeden Unternehmens fest verankert sein, das langfristig erfolgreich sein will. Das bedeutet, sich immer wieder neu zu erfinden und die eigenen Produkte und Lösungen immer wieder zu hinterfragen.

© Frank Thelen / frank.io
Unser Gastautour und TOP 100-Jurymitglied Frank Thelen plädiert dafür, dass sich Unternehmen stärker untereinander austauschen.

Das „Silicon Valley der Renaissance“ als Blaupause

Doch wie etabliert man eine solche Kultur im eigenen Unternehmen? Viele größere Unternehmen in Deutschland zielen auf zwei bis drei Prozent Optimierungen im Jahr ab und sind in festgefahrenen Prozessen gefangen, aus denen heraus nur schwer Innovationen entstehen können. Auch fehlen die Anreize für Mitarbeiter, sich mit eigenen Ideen einzubringen und auch mal ein Risiko einzugehen. Denn nur, wer etwas riskiert, hat die Chance, auf eine wahre Innovation zu stoßen.

Unternehmen, die Innovation im Kern ihrer Kultur etablieren wollen, sollten daher die entsprechenden Anreize und Raum für Veränderungen schaffen. Auch kann es helfen, Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen und mit unterschiedlichen Kompetenzen an einen Tisch zu holen. Man nennt dies auch den Medici-Effekt: Der Autor und Speaker Frans Johansson geht in seinem gleichnamigen Buch der Frage nach, wie die Ideen hinter großen Innovationen entstehen und erkennt oftmals ein ähnliches Muster, das ihn an die Zeit der Medici erinnert.

Der Medici-Effekt tritt dort auf, wo verschiedene Industrien und Wissenschaften aufeinandertreffen und sich austauschen. So, wie die Medici-Familie damals die großen Denker ihrer Zeit in ihre Heimat Florenz holte und die italienische Stadt so zum Silicon Valley der Renaissance wurde, entstehen auch heute noch viele großartige Innovationen durch diesen interdisziplinären Austausch.

© Laurent / Adobe Stock
Das "Silicon Valley der Renaissance": die italienische Stadt Florenz

Was Großkonzerne von Start-ups lernen können

Als Investoren achten wir bei unserem Unternehmen Freigeist immer darauf, ob die Kompetenzen im Gründerteam sich gut ergänzen. Wir implementieren zudem in all unseren Start-ups crossfunktionale Teams und eine Unternehmenskultur, die vom Austausch und flachen Hierarchien lebt. Ich bin der festen Überzeugung, dass Großkonzerne in diesem Punkt noch viel von Start-ups lernen können. Und ich wünsche mir für die deutsche und europäische Wirtschaft den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen beiden, um auch hier den Medici-Effekt zu nutzen.

Was für die Unternehmen gilt, gilt auch für unsere Weltwirtschaft – dort, wo in den kommenden Jahren die meisten Innovationen entstehen werden, wird auch die Wirtschaft das größte Wachstum erfahren. Als Europäer wünsche ich mir, dass zumindest ein Teil der Innovationen, die zukünftig unser Leben prägen werden, aus Europa kommt, damit wir weiterhin auf Augenhöhe mit den Großmächten USA und China verhandeln können. Deshalb appelliere ich an deutsche Unternehmen aller Größe: Lasst uns in den Austausch gehen, voneinander lernen und eine Innovationskultur etablieren.